Eine berufsbegleitende Promotion ist herausfordernd, denn es geht darum Arbeitsalltag und wissenschaftliche Forschungsarbeit sowie Privatleben, Familie u.v.m. miteinander zu vereinbaren. Kein leichtes Unterfangen, doch wer es schafft und durchhält, profitiert doppelt. Denn das relevante, anwendungsorientierte Fachwissen allein bietet schon deutlich bessere Karrierechancen, hinzu kommt die Anerkennung, die der akademische Titel mit sich bringt.
Die µÚÒ»³Ô¹Ï unterstützt mit ihrem Graduate Center Dissertationsprojekte hervorragender Absolventinnen und Absolventen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis. Auch dieses Jahr starten wieder vier neue Doktoranden, die bereit sind, die Herausforderung anzunehmen. Um interessierten Bewerberinnen und Bewerbern einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ein kooperatives Promotionsstudium gut gelingen kann, haben wir unseren Alumnus und frischgebackenen Doktor Sinan Krückeberg befragt. Erst vor Kurzem hat er seine Promotion nach nur dreieinhalb Jahren mit summa cum laude bei µÚÒ»³Ô¹Ï Professor Dr. Peter Scholz und Professor Dr. Klaus Beckmann von der Helmut-Schmidt-Universität abgeschlossen.
Lieber Sinan Krückeberg, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer herausragenden Promotion und dieser fantastischen Leistung! Wie fühlt es sich an, einen Doktortitel zu tragen?
Genau wie ohne… Man begegnet im Lauf des Lebens einigen Personen mit und ohne Doktortitel—manche schlauer, manche weniger. Dabei drängt sich immer wieder die Erkenntnis auf, dass der Titel an sich keine Aussagekraft bzgl. der intellektuellen Fähigkeiten einer Person hat. Es gibt, auch im akademischen Sinne, enorm schlaue Personen, die keinen Doktortitel tragen. Das Gleiche gilt ebenso andersherum. Für mich ging es ohnehin nie um den Namenszusatz, sondern darum, meine quantitativ-methodischen Fähigkeiten zu schärfen und das daraus resultierende Ergebnis in international anerkannten Output zu übersetzen, idealerweise auf eine Art, die für meine praktische Tätigkeit im Investment Management von Wert ist. Und natürlich darum, über die Lehrtätigkeit mit den vielen jungen und schlauen Köpfen in den Austausch zu kommen, die die µÚÒ»³Ô¹Ï über ihre Partnerunternehmen anzieht. Beides hat, auch wenn es harte Arbeit war, zu jeder Zeit riesigen Spaß gemacht, weswegen es nie anstrengend wurde. Wenn das Ziel primär der Titel am Ende des Prozesses ist, ist der Weg dorthin vermutlich wesentlich steiniger.
Warum haben Sie sich für eine Promotion an der µÚÒ»³Ô¹Ï entschieden?
Das wichtigste Kriterium für die Entscheidung, an welcher Institution ich die Promotion durchführe, war der potentielle Doktorvater. Hier stach Peter Scholz gegenüber vielen Professoren von europäischen Universitäten und Business Schools deutlich hervor. Es hat sich von Anfang an abgezeichnet, dass wir einen ähnlich hohen Anspruch an unsere Arbeit haben und gleichzeitig pragmatisch, fair und erfolgsorientiert arbeiten. Genau das hat sich über die gesamte Promotion auch bewahrheitet und ist der Grund, weswegen Peter und ich mit unseren Publikationen solch einen großen Erfolg hatten und die Promotion mit summa cum laude bewertet wurde. Peter las 2013 meine damalige Masterarbeit gegen, da ich eine zweite Meinung suchte. Er war direkt, kritisch, aber fair mit Sinn für Humor. Und: Wir konnten hart aber sachlich diskutieren. Das war eine super Basis, um drei Jahre später den Faden wieder aufzunehmen für die Promotion.
Wie sind Sie auf Ihr Forschungsthema gekommen und wie relevant ist dies für Ihre weitere berufliche Entwicklung?
Das Thema im eigentlichen Sinne hat sich im Lauf der Arbeit ergeben und erst in Richtung des dritten Papers wirklich herauskristallisiert. Meiner Ansicht nach ist es wichtig, zu Beginn ein konkretes Forschungsinteresse zu haben, um das man das erste Paper strukturiert. Daraus ergeben sich Folgefragen, die sich ausbauen lassen. So war es beispielsweise mit unseren beiden Papern zu Kryptowährungen auch. Das eine Paper fragt, ob Kryptowährungen eine eigene Assetklasse sind. Unsere Ergebnisse suggerierten, dass sie es sind. Gleichzeitig waren Kryptos aber extrem volatil also risikobehaftet. Daraus ergab sich die Folgefrage, ob man nicht risikolose Gewinne via Arbitragetrades realisieren kann, insbesondere, wenn die Märkte volatil sind, da sich Spreads zwischen Börsenpreisen ergeben können. Dem war so. Daraus ergeben sich wiederum einige Folgefragen...
Für die weitere berufliche Entwicklung bleibt die rigorose quantitative Methodenkompetenz und die strukturierte Verdichtung und Präsentation von Analysen und deren Ergebnissen. Vor allem der Blick dafür, Analysen bis zum letzten Schritt durchzustrukturieren und Ergebnisse zu produzieren, die klare Validität in der Praxis haben und, in meinem Fall, praktische Investmententscheidungen beeinflussen können. Dadurch spielen die im Rahmen der Promotion ausgebauten Fähigkeiten sicher auch in Zukunft eine wichtige Rolle.
Gibt es vielleicht einen Schlüsselmoment während Ihres Studiums, den Sie mit uns teilen möchten?
Eine ganz interessante Erkenntnis kam im Laufe des Reviewprozesses mit dem CFA Institute Financial Analysts Journal auf. Das Journal ist bekannt für die rigorose Auslese an Artikeln und es war ohnehin zu erwarten, dass der Prozess ein ordentlicher „Ringkampf“ würde. Und so kam es dann auch: Der Executive Editor, Managing Editor, Assistant Editor, Reviewer 1 und Reviewer 2 haben uns jeweils über mehrere Runden etliche wirklich gute, teils technische, teils praktische, Fragen zugeworfen und das Paper von allen Seiten gründlich unter Feuer genommen. Und trotzdem hat es am Ende geklappt, jeden einzelnen Punkt durch absolute Konzentration auf den Kern der Nachfrage und weitere, tiefere Analyse und konsequente Argumentation zu entschärfen.
Die Moral der Geschichte soll sicher nicht platt „jeder kann es schaffen“ sein, dafür ist die Quote doch zu niedrig. Aber aufgrund der Tatsache, dass zwei „No-Names“ von einer deutschen Boutique-Hochschule (wenn man die µÚÒ»³Ô¹Ï so nennen möchte) letztlich in einem Journal wie diesem landen, verdeutlicht doch, dass es letztlich um den Wert der präsentierten Ideen geht, egal woher sie kommen. Das ist, aus meiner Sicht, eine tolle Motivation für jeden, der sich selbst in den „Ringkampf“ Promotion begibt und das nicht in Stanford, Harvard oder Wharton tun kann.
Sie haben in der finalen Promotionsphase als Head of Private Capital bei Etribes angefangen, leiten ihr eigenes Family Office, sind geschäftsführender Gesellschafter bei der Henke & Paulmann GmbH, sind beratend tätig und haben Familie. Das würde für die meisten Menschen schon ohne zusätzliche Promotion eine enorme Herausforderung darstellen. Wie kann es gelingen, diese Mehrfachbelastung gut zu meistern? Haben Sie einen Rat für unsere neuen Doktoranden?
Gern — falls es einen Rat gäbe, den ich teilen würde, dann den gleichen, wie ihn alle µÚÒ»³Ô¹Ï Studierenden im Rahmen meiner Vorlesung „Wissenschaftliches Arbeiten“ von mir erhalten haben: Macht euch von Anfang an Gedanken darüber, in welchem System ihr operiert, wie Erfolg definiert ist, was die konkreten Erfolgskriterien und Anforderungen sind und wie ihr sie mit eurem Skillset und nach euren Ansprüchen am besten erfüllen könnt. Wenn diese übergeordneten Elemente klar sind, folgt der Plan, nach dem vorgegangen wird und dann ist es eine reine Frage der Disziplin in der Umsetzung.
Wenn man sich nicht von Anfang an bewusst macht, wie das System Wissenschaft funktioniert, verrennt man sich leicht, macht unnötige Fehler und verschwendet Zeit. Wenn die Disziplin fehlt, kommt man a) nicht angemessen voran und b) öffnet Flanken in der Qualität der Arbeit, was wiederum Zeit und Nerven kostet.
Das ist letztlich, aus meiner Sicht, der Schlüssel für die vielen gut parallel laufenden Projekte. Systemverständnis, klare Strukturierung, Eliminierung von Ablenkung, um effizient zu arbeiten und Disziplin, um das eigene Tempo mit der entsprechenden Konzentration über lange Strecken durchzuhalten. Das, und völliges Abschalten zwischendurch, um den Muskel Gehirn ordentlich zu entspannen.
Aber natürlich macht dies alles nur Sinn, wenn man Spaß an den Projekten hat. Ich wähle meine Projekte ganz gezielt danach aus, woran ich Spaß habe und wo ich mit interessanten und angenehmen Menschen zusammenarbeiten kann. Dann läuft es auch von ganz allein.